AUF DEN SPUREN DES KUBEBENPFEFFERS
Piper cubeba L.
Juli 2018
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Kubebenpfeffer klettert empor
Folge der Seidenstrasse
Mit erfrischtem Gaumen
Im Morgengrauen kommen wir auf der indonesischen Insel Java an, genauer gesagt in Yogyakarta, dem Zentrum der traditionellen und klassischen javanischen Kunst. Wir schlängeln uns durch den dichten Verkehr aus Autos und Motorrollern und um dem städtischen lärmenden Gewimmel zu entkommen, nehmen wir Richtung auf den tropischen Regenwald der sich in der Mitte der Insel ausdehnt.
Dewi et Solehan haben uns hier mitten im Juni eingeladen um der Ernte des Kubebenpfeffers beizuwohnen, die sie mit fünf anderen Pflückgemeinschaften organisieren : Die Pflücker von Kemukus.
Ein geheimgehaltener Anbau im Naturzustand :
Bevor wir überhaupt einen ersten Schritt in den Wald machen, sind wir von dem Zauber ergriffen der von diesem Pfeffer ausgeht. Die Kultur, wenn man sie überhaupt so nennen kann, ist völlig wildwachsend und die Pflückzonen sind eindeutig das bestgehütete Geheimnis der Insel. Deshalb bitten uns Dewi und Solehan diese Orte niemals zu verraten. Wir legen unser Schweigegelübde ab und werden diese so begehrten Ortsnamen nicht in den Mund nehmen. Dann dringen wir in den Wald vor. Hier gibt es kein Zeichen mehr von urbanem Leben : Der Wald ist undurchdringlich, tief und wild wuchernd. Man fühlt sich komplett in eine andere Welt versetzt.
Eine hochfliegende Ernte:
Die Kletterpflanzen des Kubebenpfeffers offenbaren sich uns und schlängeln sich hinauf, zum Teil bis zu 10 Metern Höhe. Einige Pflanzen, majestätisch anzuschauen, sind mehr als 25 Jahre alt. Solehan erklärt uns dass die üppigsten Rispen auf den Baumkronen gedeihen, denn nur dort finden sie reichliche Sonneneinstrahlung und ein fruchtbares Ökosystem.
Um diese seltenen Perlen zu sammeln, müssen die Pflücker sich demnach bis in die Baumwipfel hinaufschwingen um die Beeren zu ernten, deren leicht rötliche Farbe ihren optimalen Reifegrad verrät.
« Die Pflücker sind wie Akrobaten die kaum oder gar keine Grenzen kennen » vertraut uns Solehan an und rüstet seinen Klettergurt. Nur mit der Kraft seiner Arme begibt er sich auf den langen und mühsamen Aufstieg. Wir verfolgen ihn mit unseren Augen und halten bei den schwierigsten Passagen den Atem an. Da wir irgendwann nicht mehr erkennen können was ihn mit dem Baum verbindet, scheint es uns als würde er fliegen.
Und dann, Ende Juni, kehren der Pfeffer und die Männer ins Dorf zurück. Jeder Baum hat ungefähr 50 Kilo frischen Pfeffer hergegeben und es findet keine weitere Ernte bis zum nächsten Jahr statt.
Nun beginnt die Trocknungs- und Verlesungsphase.
Die Körner werden nun von Frauenhänden sortiert, vorsichtig auf Bambussiebe gelegt, und für 3 bis 4 Tage der vollen Sonne ausgesetzt. Das Wasser verdunstet auf natürlichem Weg, die Aromen prägen sich aus und die Hülle wird schwarz und runzelig. Vier Kilo frischer Pfeffer ergibt ein Kilo trockenen Pfeffer.
Die Lese des Kubebenpfeffers ist langwierig und sorgfältig. Die geschickten und achtsamen Finger wählen die schönsten schwarzen Körner und sortieren Halme und kleine oder unterentwickelte Körner aus.
Shiva, die heilige Baumstütze
Die Kletterpflanzen des Kubebenpfeffers ranken sich um einen Baum den man Rudraksha, « Auge Shivas » nennt (Rudra ist ein anderer Name für Shiva und Aksha bedeutet « Auge » in Sanskrit). Die Legende erzählt, dass Shiva während einer Meditation eine Vision der Wünsche und Leiden der Welt hatte. Von seinen Gefühlen übermannt, fing er an zu weinen und die Tränen seines Mitgefühls fielen auf den Boden. Aus diesen Tränen entstand der Baum als Stützpfahl des Kubebenpfeffers, dessen eigene Körner « Tränen des Shiva » oder « Auge des Rudra » gennant werden.
«Im Laufe von tausenden göttlichen Jahren habe ich mit geschlossenen Augen geschaut und dann sind Tränen aus meinen Augen geschossen. Aus diesen Tränen entstand der Baum Maharudraksh, auf meinen Befehl hin, zum Wohle aller. » Shiva Maha Purana
In der hinduistischen Kultur besitzen die Perlen dieses Baums wertvolle und wohltätige Eigenschaften für die Gesundheit : sie heilen vielfältige Krankheiten, erlauben eine hohe Konzentrationsfähigkeit, bergen einzigartige energetische Qualitäten und fördern die Meditation.
Armbänder aus diesen Perlen werden als heilige Gegenstände betrachtet die mit Shakti (göttlicher Energie) aufgeladen sind.
Der Kubebenpfeffer, Nachbar des berühmten Borobudur Tempels
Der Pfeffer wächst nicht weit vom Tempel Borobudur im Kedu-Becken, einer höchst heiligen javanischen Tempelstätte, die aufgrund des extrem fruchtbaren Bodens dort errichtet wurde. Der Borobudur Tempel ist eines der grössten buddhistischen Bauwerke weltweit. Er wurde im 8. und im 11. JH gebaut, während der Herrschaft der Sailendra-Dynastie.
Der Haupttempel ist ein Stupa der auf einem natürlichen Hügel über drei Geschosse erbaut wurde und der die Auffassung des Universums nach der buddhistischen Kosmogonie verkörpert :
- Die Sphäre des Verlangensin der wir Sklaven unserer Begierde bleiben
- DieSphäre der Formen in der wir unsere Begierden hinter uns lassen aber in der wir dem Namen und der Form unterworfen sind
- Und die Sphäre der Abwendung von der Form in der es weder Namen noch Form gibt.
Dieses Hauptgebäude wird von zwei anderen Gebäuden begleitet, die jedes für sich die einzelnen Schritte der Reise ins Nirwana illustriert.
Die medizinische Geschichte des Kubebenpfeffers
Loïc Bienassis, Historiker am l’IEHCA (Institut européen d’histoire et des cultures de l’alimentation – Europäisches Institut für Geschichte und Ernährungskulturen), klärt uns über die medizinische Verwendung des Kubebenpfeffers in der Geschichte auf :
Der Kubebenpfeffer hat eine notorische Bedeutung in der Unani-Medizin. Die Unani-Medizin ist eine traditionnelle indische Medizin die auf die graeco-arabische Epoche zurückgeht und die heute noch in Indien, Pakistan, Bangladesch und im Iran praktiziert wird.
Diese Medizin hat ihre Schriften von der abendländischen Antike geerbt (sie bewahrt auch noch heute zahlreiche Lehren des Corpus Galen) und wurde durch arabische und persische Lehrbücher bereichert, bevor sie ihre Wurzeln in Indien nahm.
In der Tradition der Unanai-Medizin wird der Kubebenpeffer immer noch verwendet. Man schreibt ihm dieselben Tugenden zu die man schon in der mittelalterlichen arabischen Medizin gefunden hatte : Er stärkt die Organe, vor allem den Magen, und man räumt ihm eine zentrale Rolle in der Behandlung des Verdauungsapperates ein. Er ist auch sehr geschätzt in der Zahnbehandlung oder der bei Heilung von Zahnfleischproblemen.
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